Sonntag, 27. Oktober 2013

Johann Wolfgang zum Thema Musik - wunderschön!

Johann Wolfgang von Goethe 

Aussöhnung (1823)

  Die Leidenschaft bringt Leiden! - Wer beschwichtigt
  Beklommnes Herz das allzuviel verloren?
  Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?
  Vergebens war das Schönste dir erkoren!
  Trüb' ist der Geist, verworren das Beginnen;
  Die hehre Welt wie schwindet sie den Sinnen!

  Da schwebt hervor Musik mit Engelschwingen,
  Verflicht zu Millionen Tön' um Töne,
  Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,
  Zu überfüllen ihn mit ew'ger Schöne:
  Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen
  Den Götter-Wert der Töne wie der Tränen.

  Und so das Herz erleichtert merkt behende
  Daß es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,
  Zum reinsten Dank der überreichen Spende
  Sich selbst erwiedernd willig darzutragen.
  Da fühlte sich - o daß es ewig bliebe! -
  Das Doppel-Glück der Töne wie der Liebe.

Freundschaft und Menschlichkeit

Ich beschäftige mich gerade mit dem Text zu "E lui! desso! l'infante!" aus Don Carlo, weil mich dieses Duett zurzeit sehr aufwühlt und beschäftigt. Da ich (noch) kein italienisch kann, bin ich zwar auf Übersetzungen aus dem Internet angewiesen, aber wer das Stück schon einmal gehört hat (am besten die Version von Kaufmann / Vassallo), der wird mitgerissen von kraftvollem geballtem Leben, wird fortgetragen von Schwüren der Treue und tiefster Loyalität, dazu diese herausragende bewegende Musik.

Don Carlo, der Kronprinz von Spanien, soll Elisabetta von Frankreich heiraten. Die beiden verlieben sich auch ineinander, aber Don Carlos Vater - König Philipp II - entscheidet plötzlich, dass er doch lieber selbst Elisabetta heiraten will. Elisabetta willigt ein, um das Volk vor dem Verhungern zu bewahren. Don Carlo vergeht vor Gram und Schmerz. Er behält den Kummer für sich - immerhin grenzt seine Liebe zu Elisabetta an Hochverrat. Doch vor seinem besten Freund, Rodrigo, dem Herzog von Posa, kann er sich nicht verstellen, er vertraut sich ihm an, wird aufgefangen und getröstet.

RODRIGO
tritt auf
Da ist er! Der Infant!

DON CARLOS
O mein Rodrigo!

RODRIGO
Hoheit!
DON CARLOS
Dich halte ich in meinen Armen!
Dich hat in meinem Schmerz
Gott mir gesendet, mein Engel, mein Trost!

RODRIGO
Ach, mein lieber Prinz!
Die Stunde hat geschlagen! Die Stimme Flanderns ruft Euch!
Helft, Carlos, seid ihr rettender Gott!
Doch was sehe ich? Welche Todesblässe!
Der Funke des Schmerzes glüht in Euren Augen!
Ihr schweigt? Ihr seufzt ?Tränen!?
Mein Carlos, teile mit mir deine Schmerzen!

DON CARLOS
Mein Erretter, mein Freund, mein Bruder,
lass mich in deinen Armen weinen!

RODRIGO
Der Stimme eines aufrichtigen Freundes
soll dein Herz sich nicht verschliessen!
Sprich!

DON CARLOS
Du willst es? So lerne denn mein Elend kennen!
Erbebe vor dem Schicksalsschlag, der mein Herz verwundet hat!
Ich bin von Sinnen vor Liebe
zu Elisabeth...

RODRIGO
Deiner Mutter!
Allmächtiger Gott!

DON CARLOS
Du erbleichst... Wider Willen
flieht dein Blick den meinen ... Ich Elender! Mein Rodrigo, er selbst,
Rodrigo wendet sich entsetzt von mir!

RODRIGO
Rodrigo bleibt dein Freund!
Bei meinem christlichen Glauben,
du leidest ... Und nichts mehr gilt die Welt in meinen Augen!

DON CARLOS
O mein Rodrigo!

RODRIGO
Carlos,
an meiner Seite richte deine schwankende Seele auf!
Deine Bestimmung kann noch einmal nützlich und schön sein …
Erbitte von Gott die Kraft des Helden!

DON CARLOS und RODRIGO
Gott, du hast in unsere Seelen
den Strahl desselben Feuers gesandt,
dieselbe begeisterte Liebe,
die Liebe zur Freiheit!
Gott, der du unsere aufrichtigen Herzen
zu Herzen zweier Brüder machtest,
höre unseren Eid:
Wir lieben uns bis in den Tod!

RODRIGO
Komm, an meiner Seite wird dein Herz Kraft gewinnen!

DON CARLOS und RODRIGO
Wir wollen vereint sein im Leben und im Tod!
Gott, höre unseren Eid:
Wir lieben uns bis in den Tod!
Wir wollen vereint sein im Leben und im Tod!



Was für ein Sturm an Menschlichkeit, Mitgefühl, Liebe, Wärme, Freundschaft und Loyalität! In italienisch ist der Text in seiner flüssigen Melodie ein sprachlicher Genuss par excellence. Dieses wunderbare Duett trägt mich zurück zu den wirklich wichtigen Werten im Leben, lässt mich wieder zu mir selbst, zu meinen tiefsten Überzeugungen, zum Menschsein zurückfinden. Diese neue Richtung in mir fühlt sich richtig und gut an. Ich lasse hinter mir, was mich belastet und strebe neuem Leben entgegen. Mit Menschen, die mir wichtig sind und denen ich wichtig bin:

Vien presso a me; più forte il cure avrai!
Komm, an meiner Seite wird dein Herz Kraft gewinnen!


Samstag, 26. Oktober 2013

Musik muss man fühlen!

Ich beschäftige mich ja noch nicht allzulange mit dem großen Thema "Oper", aber je mehr Opernkritiken lese, desto mehr frage ich mich, was Leute beschäftigen muss, damit sie mit der Stoppuhr messen, wie lange ein Opernsänger bestimmte Vokale singt. Als ich in einer DVD-Kritik auf amazon zu Jonas Kaufmann's Lohengrin-Darstellung las, dass dieser sich u.a. für das "au" in Taube genau 8 Sekunden Zeit nimmt, musste ich wirklich laut lachen.
Ist es wichtig, mit welcher Technik ein Sänger eine Arie zum besten gibt? Ist es wichtig, ob er an gewisse Standards heranreicht? Ist es nicht einfach nur wichtig, ob mich Stimme und Gesang berühren? Mich emotional öffnen? Mich in die Tiefe meiner Seele schauen lassen?
Ich weiß wirklich nicht, was ich von solchen Kritiken halten soll.
Ich habe gelesen, dass Jonas Kaufmann selbst sagt, dass Singen ein Hochleistungssport ist. Ist es nicht dramatisch, dass unsere Gesellschaft die schönen Künste dazu macht?
Zur Zeit höre ich die Oper Don Carlo, das Duett Rodrigo/Don Carlo "Dio che nell'alma infondere" mehrfach hintereinander. Ich habe das Stück nun schon in mehreren Aufführungen gehört, dennoch bin ich vollkommen gefangen von der Version von Jonas Kaufmann und Franco Vassallo. Ihre Darbietung wühlt mich auf, rührt mich zu Tränen, zaubert mir ein zufriedenes Lächeln und leuchtende Augen ins Gesicht, lässt mich dankbar die Liebe meiner Freunde spüren und die Welt mit neuen Augen sehen. Und dass obwohl ich (noch) kein italienisch kann. Die Musik und die Stimmen ergreifen mich und tragen meine Seele fort zu neuen Ufern. 
In solchen Momenten ist es mir doch wirklich egal, ob ein "au" in Taube 8 Sekunden erklingt. Solange die Taube mich emotional berührt, darf sie auch ein wenig schneller fliegen!